Die Ärzteschaft sollte nicht vergessen werden

Nia DiGa Ärzteschaft

Nia – Erste dermatologische DiGA für Neurodermitiker auf der Zielgeraden. Über die Neurodermitis-App Nia hat „Der Deutsche Dermatologe“ bereits berichtet, zuletzt im Rahmen des Digi Derma Start-up Cafés. Nun hat der Zulassungsprozess als erste dermatologische App auf Rezept begonnen. Ein Meilenstein für das Unternehmen und ein positiver Ausblick für Neurodermitispatienten. Doch noch bleiben Hürden für eine schnelle Integration in den Versorgungsalltag – gemeinsam sollen diese bewältigt werden.

Patienten mit atopischer Dermatitis (Neurodermitis) erhalten über die App basierend auf ihren individuellen Gesundheitsdaten personalisierte, direkt umsetzbare und medizinisch validierte Empfehlungen, um ihren Krankheitsverlauf verbessern zu können. Die Nia App ist bereits heute bei vier gesetzlichen Krankenkassen gelistet und wird laut Unternehmensangaben von privaten Krankenversicherungen in der Regel ebenfalls erstattet.

Ärzt*innen, Unternehmen und Leistungsträger müssen mehr in den Austausch treten

BVDD-Präsident Dr. Ralph von Kiedrowski, der in seiner Spezialpraxis in Selters insbesondere Patienten mit entzündlichen Dermatosen versorgt, kennt die App und unterstreicht den hohen Nutzen für den Patienten. „Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Wir müssen auch den BVDD-Mitgliedern den Nutzen darlegen können. Das ist jedoch vor dem Hintergrund einer geplanten Vergütung von zwei Euro pro Verordnung einer DiGA schwierig“, erläutert von Kiedrowski. „Argumente wie ‚Verbesserung der Versorgung‘ und ‚Benefit im Patientenmanagement‘ alleine reichen da nicht immer aus!“ Er fordert grundsätzlich, dass „bei Verhandlungen zwischen Start-ups und Krankenkassen die Ärzteschaft nicht vergessen werden sollte“. Ansonsten seien DiGAs zum Scheitern verurteilt.

Das sieht auch Tobias Seidl so. Er hat sich die Mühe gemacht und mit zahlreichen niedergelassenen Dermatologen persönlich gesprochen. Dabei habe sich der Zeitfaktor als das wichtigste Thema für die Praxen herauskristallisiert. „Die Daten, die der Patient über die App generiert, dürfen keine zusätzliche Belastung für den Arzt werden“, so Seidl. Aus diesem Grund weist Nia den Patienten darauf hin, dass die Daten zunächst nur für ihn selbst sind, er entscheidet, mit wem er sie teilt. Den Nia-Report können Patienten auf Wunsch des Arztes als unterstützende Ergänzung zur klassischen Behandlung ins Arztgespräch mitbringen.

Die größte Stellschraube im DiGA Konzept: Die Vergütung

Eine der größten Stellschrauben im gesamten DiGA-Konzept ist Seidls Meinung nach die Vergütung. „Bei dieser Thematik wird zurzeit viel unternommen, auch dem Spitzenverband digitale Gesundheitsversorgung ist die Problematik bewusst“, versichert er. Zudem sei der Politik ebenfalls klar, dass es ohne die Einbindung der Ärzteschaft nicht geht. Das könne nur mit einer Erhöhung der Verordnungspauschale gelingen. „Ich bin optimistisch, dass es in diese Richtung geht“, so Seidl. BVDD-Präsident von Kiedrowski warnt hingegen, dass „eine Kasse meistens genau andersrum denkt“. Diese wolle auf lange Sicht Vergütung reduzieren, da der Arzt vermeintlich weniger Arbeit leistet dank einer App. „Hier schwingt im Hintergrund die Substitution ärztlicher Leistungen immer mit“, erläutert der Hautarzt. „Als Berufsverband müssen wir den Kostenträgern in der momentanen Phase klarmachen, dass ein Incentive wie beispielsweise ein §-140a-Vertrag zur besonderen Versorgung nötig ist, um die Akzeptanz der Ärzteschaft für die Verschreibung von DiGAs zu gewinnen und letztlich auch Versorgung zu verbessern“, so von Kiedrowskis Fazit.

Unterdessen entwickeln einige Hersteller innovativer Medikamente zur Behandlung der atopischen Dermatitis begleitend zur Produkteinführung eigene Patienten-Apps. Nach Meinung des BVDD-Präsidenten ist dies keine gute Idee und wird von der Fachgruppe voraussichtlich nicht angenommen werden, da bei einer Medikamentenumstellung auch wieder eine neue App zum Einsatz kommen müsste. Sinnvoller sei eine App wie Nia – vorausgesetzt, die Vergütung verbessert sich.

Originalartikel aus Hardt, Wolfgang, Der Deutsche Dermatologe, 2021; 69 (8), S. 64

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